Prolog: Fortsetzung

In meiner Wohnung in der Wrangelstraße sah es zu dieser Zeit noch beinahe genauso aus wie am Tag meines Einzuges dort, obwohl dieser bereits gut ein halbes Jahr zurücklag. Ein Großteil meiner Bücher und persönlichen Dinge war noch immer nicht ausgepackt und befand sich noch in den gleichen Umzugskartons, die ich an einer der Wände aufgereiht hatte. Außer diesen Kartons enthielt der Raum jedoch nahezu keine Einrichtung.

Ich besaß, wie ich mich noch entsinnen kann, damals nichts weiter als ein Regal, in dem ich meine Wäsche verwahrte, einen Tisch und einen einzigen Stuhl. Ich selbst aber schlief des Nachts auf einer schmalen und dünnen Matte auf dem Boden, wie in einem Zelt.

Die Gründe hierfür waren unterschiedlicher Natur. So war ein Teil meiner Sachen und Möbel im Verlauf der vorangegangenen Umzüge verloren gegangen, das meiste davon in meiner ehemaligen Wohngemeinschaft, die sich in meiner Abwesenheit, während ich noch auf Reisen gewesen war, aufgelöst hatte.

Hinzu kam, dass ich die neue Wohnung zunächst nur als eine Art Übergangslösung betrachtet hatte, ein vorübergehendes Provisorium, in dem ich, wie ich glaubte, nur auf kurze Zeit verweilen würde. Also hatte ich in der Überzeugung gelebt, dass es nicht wirklich lohne, sich auf einen längeren Aufenthalt dort einzustellen.

Die eigentlich Ursache aber lag, wie ich heute bekennen muss, in meiner Müdigkeit begründet, aus der ich mich damals niemals ganz, selbst am Tage nicht vollständig zu lösen vermochte.

Eine Müdigkeit, die ich auf meine fortwährende nächtliche Schlaflosigkeit zurückführte, in der ich aber paradoxerweise zugleich auch die Ursache jener Schlaflosigkeit zu erkennen glaubte.

Denn mitunter erschien es mir so, als ob meine Müdigkeit selbst mich daran hinderte einzuschlafen, wenn ich nachts oftmals viele Stunden noch wach lag: in einem Zwischenbereich, einer Grauzone aus Halbgedanken und Halbträumen, bereits nah an der Grenze zum Schlaf, ohne jedoch endgültig dort hinzugelangen.

So begab ich mich zumeist mit nur wenigen Stunden Schlaf am Morgen zum Klinikum, wo ich mich übermüdet und blass meiner Arbeit überließ, deren Gleichlauf nur selten einmal unterbrochen wurde.

Dies geschah aber immer dann, wenn zwischen all den anderen Krankenbetten plötzlich eines der grünbezogenen “Quarantänebetten“ aus einer der Isolierstationen zu uns gelangte.

Dann hatten wir zusätzlich zu den Handschuhen, die wir bei unserer Arbeit stets trugen, noch Kittel angezogen und einen Mundschutz angelegt, waren wir bei der Reinigung darum bemüht gewesen, besonders sorgsam und gründlich zu verfahren.

In meinen Gedanken aber hatten sich dabei unweigerlich Vorstellungen von den möglichen Krankheiten geregt, die sich mit diesen Betten verbanden, und die sich womöglich auf uns übertragen konnten: Bilder von Fieberdämmer, von unbekannten Ausschlägen und Läsionen, Bilder die im gleichen Maße unbestimmt waren und dramatisch . . .

Und von Zeit zu Zeit stand ich vor einem Krankenbett dessen Laken ausgedehnte Blutflecke aufwies, manchmal noch feucht und ganz frisch: Spuren einer möglichen Katastrophe von deren Ausgang ich indes nie erfuhr.

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