Wrangelkiez

Suche die Freude nicht im Alkohol, sondern in der Schönheit in der Schöpfung geht es mir noch einmal durch den Kopf, während ich weiter gehe.

Eher schmucklos und schlicht sind die Gründerzeit-Fassaden der Altbauten, dunkel und beengt vielfach ihre Hinterhöfe und die Wrangelstraße selbst wirkt wie eh und je etwas schmuddelig, nüchtern und grau, ungeachtet ihres plötzlichen Aufschwungs.

Frau Berg hat ihr gesamtes Leben über in den gleichen zwei Zimmern ihrer Wohnung in der Wrangelstraße gewohnt.

Sie selbst ist dort zur Welt gekommen, hat dort Kindheit und Jugend verbracht, später mit ihrem Mann dort zusammen gelebt, eigene Kinder bekommen. . .

Sie hat Krieg und Zerstörung erlebt und die mühsamen kargen Jahre des Wiederaufbaus, dann in späterer Zeit den beginnenden Leerstand und Verfall vieler Häuser, Hausbesetzungen und Proteste und den Zuzug der türkischen Zuwanderer, die als Gastarbeiter, wie sie damals genannt worden waren, auf der Suche nach Arbeit und bescheidenem Wohlstand hierher gekommen waren und sich wegen der für sie erschwinglichen Mieten und weil man ihnen hier Wohnungen überließ dort im Wrangelkiez niedergelassen hatten.

Heute hört man auf der Wrangelstraße schon fast ebenso häufig Englisch, Spanisch und Französisch sprechende wie türkischsprachige Menschen.

Studenten aus den USA oder England, aus Spanien, Frankreich und Italien zieht es hierher, weil das Studium und die Lebenskosten hier günstiger sind als in anderen europäischen Metropolen, weil Berlin und gerade auch die Gegend um das Schlesische Tor herum mit ihren Szene-Treffs, Bars und Clubs zur Zeit als interessant gelten, wie zuvor in den 90er Jahren Prag, weil es unproblematischer ist hier zu arbeiten, Jobs zu finden, zu leben, wie eine junge Amerikanerin, die als Dolmetscherin und Übersetzerin hier arbeitet, mir vor einiger Zeit auf einer Party erzählte, sehr viel einfacher als in London oder in New York. . .

Preise und Mieten steigen nun langsam an. Die neuen Zuwanderer beginnen das Straßenbild zu verändern, fangen nach und nach an die alten zu verdrängen. Und die früheren Immigranten und ihre nachfolgenden Generationen wandern ab. Doch wohin?

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