Wrangelstraße Teil 4

Zwischen Bildern der neuen Wrangelstraße mit ihren Restaurants, Bars und Cafés, ihren neu eröffneten Geschäften, Bilder der alten: Längst ist das Haus, in dem sich einst das Kuckucksei, jener Ort also an dem seinerzeit die wöchentlichen Treffen des bereits erwähnten Autonomen Arbeitskreises stattgefunden hatten, abgerissen worden und an seiner Stelle ein Neubau entstanden.

Und längst ist auch die einstige Baulücke gegenüber davon verschwunden, in der früher ein winziger Wohnwagen mit einem türkischen Imbiss gestanden hatte, in welchem man neben Süßigkeiten und Getränken auch Döner und mit Fleisch oder Käse gefüllten Börek hatte kaufen können, der mit ein klein wenig Glück, frisch und knusprig gewesen war. . .

Verschwunden sind der Kohlenladen ein Stück weiter die Straße entlang, das Geschäft von Kartoffel-Krohn und der Laden von Eier-Schulz.

Doch der kleine Rewe-Markt an der Ecke zur Cuvry-Straße hat die Zeit überdauert und auch Bizim Bakkal mit seinen wunderbaren gefüllten Oliven, dessen Inhaber seine Kunden nach wie vor stets mit der gleichen sanften Freundlichkeit bedient, ganz egal, ob sie nun einen ganzen Korb mit Gemüse und Früchten bei ihm einkaufen, oder nur eine einzige Banane.

An den Kiosken kann man die Zigaretten, wenn das Geld für die ganze Schachtel nicht reicht, auch heute noch einzeln kaufen, und im Eingang des Köfte-Imbisses gegenüber von Bizim ist noch immer der gleiche Sinnspruch zu lesen, der den eintretenden Gast hier empfängt und zur Mäßigung mahnt: Suche die Freude nicht im Alkohol, sondern in der Schönheit der Schöpfung. . .

Mein Blick streift an den Schaufenstern, Häusern, Gesichtern entlang, wandert weiter. Mit den Bildern, den alten und neuen, aber kommen zugleich auch Gedanken und Erinnerungen zurück und mit ihnen die Sprache, eine andere Sprache: Worte, Sätze für eine andere Art von Text, nicht für eine Geschichte, wie die hier zu erzählen begonnene.

Im Weitergehen komme ich an meinem früheren Wohnhaus vorbei. Im Vorderhaus, so verrät mir ein Blick auf das Klingelbrett an der Tür, wohnt noch immer die “Haustaube“, wie sie Martin einst genannt hatte.

Eine Etage tiefer hatte damals die alte Frau Berg gewohnt, die mir seinerzeit jedes Mal wenn sie mich draußen sah von ihrem Platz am Fenster aus zugewinkt hatte.

Heute lebt sie in einer betreuten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz, wie ich neulich erfuhr.

Frau Berg aber hatte sie damals alle gekannt: Die kleinwüchsige Blumenhändlerin, den Apotheker und den Kioskbesitzer, die “jungen Leute“ aus der Wrangel 90 ebenso wie die Stammgäste vom Bierhaus 2. . .

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