Ernesto

So also hatte damals wohl nahezu jeder im Kiez Ernesto gekannt, ohne dabei jedoch mehr zu wissen von ihm und erfahren zu haben als jene schemenhafte, in verschiedenen Versionen erzählte Geschichte seiner Vergangenheit.

Diese jedoch hatte Allen, so schien es, genügt, um seine jetzige Gegenwart und Erscheinung zu erklären.

Innerhalb der Erinnerung sehe ich ihn dabei heute noch deutlich vor mir: im Gespräch mit sich selbst auf der Straße umherirrend, mit den Armen und Händen dabei gestikulierend, kleine Gruppen von Fußgängern auf dem Bürgersteig vor sich aufscheuchend und den Strom der entgegen kommenden Passanten dabei teilend, oder aber an anderen Tagen auch schweigend an mir vorbei gehend, ohne Blick, ohne mich zu erkennen.

Von jenem Tag aber, jenem einen, den ich einmal gemeinsam mit ihm verbracht habe, ist mir kaum etwas im Gedächtnis geblieben.

Und das wenige, auf das ich mich dabei noch besinnen kann, hat die Flüchtigkeit und nur ungewisse Substanz eines beinahe schon entschwundenen nicht mehr rekonstruierbaren Traumes.

Ich erinnere mich noch daran, um damit zu beginnen, dass Matthias mich an seinem Geburtstag zu sich eingeladen hatte, und dass wir damals, Ernesto und ich, seine einzigen beiden Gäste gewesen waren.

Ich hatte nicht gewusst, dass Ernesto dort sein würde, dass die beiden sich näher kannten, doch es schien mir in diesem Moment, wie ich mich noch entsinnen kann, auch nicht ungewöhnlich zu sein.

Ich weiß noch, dass es Nachmitag gewesen war, dass nichts vorbereitet und nichts da gewesen war, so dass ich nach meiner Ankunft dort noch einmal aufgebrochen war, um bei Ladewigs Kaffee und Milch zu besorgen und dazu etwas Kuchen.

Nach meiner Rückkehr hatten wir dann zu dritt um einen Tisch herum in der Küche gesessen, in einem großen und karg mit nur wenigen Dingen eingerichteten Raum, der Matthias zugleich als Werkstatt gedient hatte.

Doch ich habe keine Erinnerung mehr daran, worüber wir damals sprachen und ob Ernesto an diesem Tag überhaupt irgendetwas gesagt, oder aber nur schweigend da gesessen und zugehört hatte.

Später war Matthias dann losgegangen und hatte einige Sechserträger Bier aus dem Traber geholt.

Und auch ich war zu späterer Stunde noch einmal zum Traber gegangen. . .

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