Von Geschichten und Geschichte

Warum werden manche Ereignisse zu Geschichte und andere nicht? Und warum gehen manche Menschen späterhin darin ein, während andere in Vergessenheit geraten?

Hängst dies tatsächlich nur von der Tragweite des Geschehenen ab? Von der jeweiligen Bedeutung der beteiligt gewesenen Akteure?

Und falls ja, was verleiht den Ereignissen und den in sie verwickelten Personen letztendlich Bedeutung? Wer entscheidet darüber? Welche Merkmale? Und warum?

„Die Geschichte der Massen ist doch niemals erzählt worden, zu keiner Zeit“, hatte mir unlängst ein Freund während eines Gespräches gesagt, und dazu nur die Achseln gezuckt, und ich hatte bei diesem Satz unwillkürlich an Bertolt Brecht denken müsssen und seine Fragen eines lesenden Arbeiters.

Ich selbst aber möchte im Folgenden lieber von einer Geschichte der Namenlosen sprechen oder besser vielleicht noch: von einer Geschichte der namenlos gebliebenen.

Denn es sind ja nicht immer nur Massen gewesen, sondern oftmals nur Minderheiten, kleine Gruppen von Menschen und mitunter nur einzelne Personen, von denen später noch in diesem Zusammenhang hier zu erzählen sein wird.

Doch vielleicht sollte ich zunächst an einem anderen Punkt ansetzen, bei der Sprache, dem Wort selbst in seiner Doppelbedeutung.

Denn Geschichte wird ja beides genannt: die Historie aber ebenso auch die Erzählung.

Sie ist Deutung, Überlieferung, Chronik und Bericht des Vergangenen, oder Vision des Kommenden, Aufgeschriebenes, oder auch nur Gehörtes und Gesagtes, auf tatsächlich Geschehenem beruhend oder aber auf Fiktion.

So kann es vorkommen, dass sich Dinge ereignen, ohne dass sie dabei zur Geschichte werden, weil sie niemand erzählt.

Und dass Dinge Geschichte werden, die sich gar nicht ereignet haben.

Leichter ist es dabei für den Autor und Erzähler die Geschichte, ganz gleich welche er zu erzählen gedenkt, an einzelnen Personen und Schicksalen festzumachen und dann einfach nur deren Spuren zu folgen.

Denn die Wirklichkeit lässt sich nicht eins zu eins wiedergeben und abbilden, sondern stets nur in Ausschnitten: großen Überblicken oder winzigen Teilen.

Ohne einen Erzähler aber gibt es keine Geschichte. Und ohne eigene Geschichte, keine eigene Identität. . .

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