Waschsalon Teil 7

Rituale, weiß die vielwissende Wikipedia zu berichten, vereinfachen die Bewältigung komplexer lebensweltlicher Situationen. Dabei geht es jedoch keineswegs nur darum, unseren Handlungen einen tieferen Symbol- und Bedeutungsgehalt zu verleihen.

Denn vielmehr noch als das versöhnen Rituale uns mit uns selbst, mit dem Leben, dem Gleichlauf und der Wiederkehr von Ereignissen, Handlungen, Dingen.

So entschärfen sie in Gefühl und Bewusstsein nicht nur das, was sich unvermeidbarer Weise wiederholt, immer wieder getan werden muss, sondern tragen uns auf dem Grund des Bekannten und Vertrauten sanft durch unseren Alltag. . .

Direkt gegenüber vom Waschsalon befand sich praktischer Weise ein türkischer Mini-Markt, der auch am Wochenende geöffnet hatte, und in welchem man neben Lebensmitteln auch Tabak, Zigarettenpapier und Getränke bekam.

Und ein kleines Stück weiter nur gab es in der Wiener Straße eine Stehpizzeria, ähnlich der, mit der Gino damals sein Geschäft in der Wrangelstraße begonnen hatte, von dessen Aufstieg und Niedergang später noch zu erzählen sein wird.

Im Inneren des Waschsalons war das Schild eines Wachschutzunternehmens angebracht gewesen, offenbar mit dem Ziel, alle diejenigen abzuschrecken, die nicht wegen des Waschens hierher kamen. Doch ich selbst habe nie einen Mitarbeiter eines Wachschutzes dort gesehen.

Die Obdachlosen aus dem Wrangelkiez aber hatten nach der Schließung des alten Waschsalons in der Oppelner Straße den Weg über den Görlitzer Park hinweg bis hierher offenbar nicht gefunden.

Nur eine einzelne obdachlose Frau, deren Revier damals in der Wiener Straße lag, hatte von Zeit zu Zeit da gesessen oder auf einer Bank dort geschlafen, den Einkaufswagen mit ihren Habseligkeiten und Tüten stets in ihrer Nähe.

Die Frau mochte etwa um die fünfzig herum gewesen sein. Doch vielleicht war sie auch in Wirklichkeit um ein paar Jahre jünger gewesen und nur vorzeitig gealtert. Wenn sie schlief, ließ man ihr ihren Platz auf der Bank, waren alle dort sogar sichtlich bemüht gewesen, sie dabei nicht versehentlich zu wecken.

Denn war sie erstmal wach, begann sie manchmal völlig unvermittelt aus dem Nichts heraus ohne sichtbaren Anlass und Grund laut zu schreien und zu schimpfen, sodass man unwillkürlich erschrocken zusammen fuhr, wenn man neben ihr saß.

Ob diese Frau aber aus einer plötzlichen Angst oder Wut heraus zu schreien begann und ob sie sich dabei an ein unsichtbares aber in ihrer Wahrnehmung existierendes Gegenüber wandte, oder aber auch an die ganze Welt war dabei indes nie ganz klar gewesen. . .

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