Ein neuer Film entsteht Teil 2

Im Verlauf dieser letzten Begegnung hatten wir, wie ich mich noch entsann, miteinander vereinbart, uns in nächster Zeit wieder öfter zu treffen, nicht nur zufällig dann und wann auf der Straße, und Martin, der den gleichen Weg hatte wie ich, hatte mich vom Shisha aus noch bis nach Hause begleitet, nachdem wir beide ausgetrunken hatten.

„Ich ruf Dich an“, hatte er mir zum Abschied gesagt. Danach hatte ich ein paar Monate lang nichts mehr von ihm gehört.

Dann aber hatte er in der letzten Woche bei mir angerufen. Und wie immer, wenn er gerade eine neue Idee für einen Film, eine neue Geschichte entwickelt hatte, über die er mit jemandem sprechen musste, konnte es ihm mit einem Mal gar nicht schnell genug gehen, mich zu sehen.

Ich selbst jedoch hatte erst ein paar Tage später wieder Zeit, und so spürte ich Martins Ungeduld und die leise Enttäuschung am anderen Ende des Telefons.

„Na gut, dann am kommenden Freitag“, hatte er gesagt und wir hatten uns um neun Uhr im Mysliwska in der Schlesischen Straße verabredet.

Ich fand Martin, der schon vor mir dort eingetroffen war, an einem der kleine Tische im hinteren Teil des Raumes, ein Glas Weizenbier vor sich. Wir begrüßten uns und nachdem ich mir vorn am Tresen gleichfalls ein Glas helles Hefeweizen besorgt hatte, nahm ich ihm gegenüber Platz.

Anders als noch während unseres Telefonats ein paar Tage zuvor, wirkte Martin keineswegs besonders aufgeregt und gespannt auf mich. Ich nahm an, dass er in der Zwischenzeit bereits einen anderen Leser gefunden und von dort eine erste positive Resonanz erhalten hatte, und so war es dann auch gewesen, wie er mir später noch im Verlauf des Gespräches erzählte.

So aber kam Martin beinah beiläufig auf seine neue Geschichte zu sprechen, fast als wäre sie gar nicht der Anlass gewesen für unser Treffen, und er hatte mich lächelnd angesehen und zunächst noch einmal einen Schluck von seinem Bier genommen, bevor er schließlich begann:

„Du erinnerst dich noch an unser letztes Gespräch damals vor dem Shisha?“, hatte er mich gefragt und ich hatte genickt.
„Sicher.“
„Damals bist Du es im Grunde genommen gewesen, der mich auf die Idee gebracht hat . . .“
„Was für eine Idee?“, hatte ich ihn gefragt, und zugleich hatte mich dabei eine seltsame Ahnung überkommen. Doch er wollte, so schien es, auf eine ganz andere Geschichte hinaus, als ich zunächst vermutet hatte.
„Na Du hast mir doch von diesem Mann erzählt auf der Baustelle, Du weißt doch, dem Fahrer . . .“

So begann Martin mir von seinem neuen Filmprojekt zu erzählen, und ich war unwillkürlich davon überrascht, zu erfahren, dass er, der bislang immer nur an Drehbüchern für Serien und Krimis gearbeitet hatte, nun den Plan zu einer Liebesgeschichte gefasst hatte.

„Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, weil ich einfach so die Geschichte verwendet habe, die Du mir erzählt hast“, hatte Martin mich in einem Anflug von schlechtem Gewissen gefragt und ich hatte dazu nur den Kopf geschüttelt: “Nein, das ist kein Problem.“

Allerdings war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, dass er bei seiner Filmidee unverkennbar auch noch auf eine andere Geschichte zurückgegriffen hatte, die ich ihm damals gleichfalls an jenem Tage bei Shisha erzählt hatte. Doch nun gut . . .

Martin suchte die Mappe mit seinem Manuskript aus seinem Rucksack hervor und reichte sie mir herüber, in diesem Augenblick wieder feierlich und ein wenig beklommen wirkend, wie früher, in der Zeit als wir beide uns kennengelernt hatten, lange bevor sein erstes Buch verfilmt worden war.

Ich aber nahm den Text an mich und begann, wieder in meiner Wohnung angelangt, noch am gleichen Abend darin zu lesen:

„Hermann arbeitet als Entsorgungsfahrer in Berlin. Seine tägliche Arbeit, das Absaugen von Miet-WC`s auf den Baustellen, die er mit seinem Tankwagen anfährt, ist von vielerlei Demütigungen und Schikanen begleitet, von Schmähungen und Spott. Nur die Mittagspausen, die Hermann stets im gleichen Imbiß verbringt, bilden einen Lichtblick für ihn.

Dort arbeitet Lena, eine russische Imbißverkäuferin, zu der Hermann sich insgeheim hingezogen fühlt. Während Lenas Bild Hermanns nächtliche Phantasien ausfüllt, wechselt er in der Wirklichkeit jedoch meist nur wenige Worte mit ihr.

Zu groß ist seine Angst davor abgewiesen zu werden, zu tief sitzen Scheu und Mißtrauen in ihm, Verbitterung und Enttäuschung. Er ahnt nicht, daß auch sie eine heimliche Zuneigung für ihn empfindet . . . “

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