Es wäre sicher falsch, das Lebensgefühl einer ganzen Generation allein auf jene damals von vielen empfundene Bedrohung durch einen möglicherweise bevorstehenden Atom-Krieg zurückzuführen. Oder auf die Angst vor einer kommenden Umweltkatastrophe, wie sie sich dann nur zwei Jahre später in Tschernobyl ja auch tatsächlich ereignen sollte.
Doch die Wahrnehmung, das Gefühl einer ungewissen und vermeintlich nichts Gutes verheißenden Zukunft hatte zweifellos das Bewusstsein der Menschen geprägt und zugleich ihre Lebensplanungen- und Wege.
Eine Folge davon war nicht zuletzt eine mitunter auch selbst zerstörerische und exzessiv ausgelebte Hinwendung zur Gegenwart gewesen und den Möglichkeiten des Augenblicks.
“Die zweite Hälfte des Himmels könnt ihr haben”, hatten die Fehlfarben auf ihrem Album Monarchie und Alltag gesungen, “das Hier und das Jetzt, das behalte ich“. Und sie hatten damit am Beginn der Achtziger Jahre nicht alleine den Nerv der Zeit getroffen, sondern gleichzeitig auch die Losung für eine ganze nach folgende Epoche ausgegeben.
Die Gruppe Deutsch Amerikanische Freundschaft hatte mit “Nimm dir was du willst, solange du noch kannst” in “Verschwende deine Jugend” jene zeitlich begrenzte und womöglich nur kurze noch verbleibende Lebensspanne des Einzelnen angesprochen.
Und die aus Berlin kommende Punk-Band Vorkriegsjugend hatte alles das auf einen einfachen Nenner gebracht und in ihrem gleichnamigen Stück skandiert: “Heute Spaß und morgen Tod”.
Dort, in West-Berlin aber hatte es ein politisch geschickt und mit Umsicht agierender Regierender Bürgermeister und späterer Bundespräsident zuvor verstanden, die im Zuge der Hausbesetzerbewegung entstandenen sozialen Wogen zu glätten.
Ihm war es schließlich gelungen, die angespannte Situation zu entschärfen, zu befrieden und im gleichen Zug alle damit verbunden gewesenen Illusionen und Hoffnungen auf einen radikalen gesellschaftlichen Umbruch und Neuanfang sanft zu begraben.
Nicht ganz zutreffend scheint es mir auch, im Rückblick auf das Lebensgefühl jener frühen Achtziger Jahre von einem Geist des Hedonismus zu sprechen.
Denn was die Menschen, oder sagen wir besser, was viele damals umtrieb und bewegte, war vielleicht weniger das Streben nach Wohlstand und Geld, nach Genuss und nach Luxus, wie es manche Chronisten im Nachhinein und im Resümee jener Zeit zu erkennen glauben, als vielmehr eine Suche nach Intensität und vielleicht jenem richtigen Leben im falschen, von dem Adorno in seinen Minima Moralia geschrieben hatte. . .