Osram

Was entfremdete Arbeit bedeutet und wie tief greifend jene Spuren waren, die sie im Dasein eines Menschen hinterließ, hatte ich bei meinen wechselnden Jobs und Tätigkeiten am Fließband zu erahnen begonnen, bei Jacobs oder Osram.

Am Beginn meines Studiums hatte ich als Student nebenbei an zwei Tagen der Woche in einer Spirituosenfabrik gearbeitet, einer Weinbrand-Abfüllerei.

In einem Teil der Fabrik war die Verpackung der fertig abgefüllten, verschlossenen und etikettierten Flaschen in Kartons damals noch manuell erfolgt. Im anderen Teil war die Produktion dagegen bereits weitgehend automatisiert worden. Dort hatte ich gearbeitet.

Meine Tätigkeit hatte darin bestanden, den Produktionsverlauf auf etwaige Störungen und Fehler hin zu überwachen und sofern diese auftraten, einzugreifen.

So hatte ich von meinem Hocker aus, inmitten des Maschinenlärms und des alles durchdringenden Weinbrandgeruchs, der die ganze Fabrik bis in die Umkleideräume hinein erfüllt hatte, den gesamten Tag über den Lauf der auf dem Band vorüber ziehenden Flaschen beobachtet.

Was mir meinem ersten Tage dort anfangs noch als vergleichsweise leicht und einfach erschienen war, sollte sich jedoch bald schon als mühsam erweisen.

Denn mitunter war eine Flasche nicht bis oben gefüllt, fehlte eines der Etiketten an Bauch oder Flaschenhals, war es falsch angeklebt oder aber beim Kleben leicht angerissen. Oder eine der Flaschen hatte nach dem Abfüllen keinen Schraubverschluss erhalten und lief nun zwischen all den anderen Flaschen unverschlossen mit übers Band.

Dann hatte ich meinen Platz verlassen und die entsprechende Flasche aussortieren müssen.

Das Problem dabei aber hatte darin bestanden, stets die nötige Konzentration zu bewahren, um auch kleinste, nur geringfügigste Fehler in der Produktion zu erkennen, während gleichzeitig jener unausgesetzt an mir vorbei fließende Strom von Flaschen, auf den ich sah, nach einer gewissen Zeit immer wieder vor meinen Augen zu verschwimmen begann.

Und je seltener solche Produktionsfehler auftraten und je länger stattdessen das Band dafür einfach weiter und weiter lief, desto mehr sank zugleich meine Spannung und Aufmerksamkeit, wuchs in mir ein Gefühl, das mehr Leere als Müdigkeit war. . .

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Erster Teil und getagged , , , , . Bookmarken: Permanent-Link. Post a comment oder ein Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Kommentar hinterlassen

Ihre E-Mail wird niemals veröffentlicht oder verteilt. Benötigte Felder sind mit * markiert

*
*