Vom Aufstand der Zeichen Teil 3

Bereits kleine und kleinste Veränderungen, etwas Schwarz, ein hinzugefügtes oder durchgestrichenes Wort, konnten ausreichen, um die Botschaft eines Wahl- oder Werbeplakats zu verändern oder gar in ihr Gegenteil umzukehren.

Eine mit schwarzem Filzstift gemalte Zahnlücke ließ das zuversichtliche und vertrauenerweckend gemeinte Lächeln eines Politikers plötzlich zweifelhaft erscheinen und zugleich das Versprechen, die Zielsetzung, für die es stand.

Ein überraschender Satz, der einer braun gebrannten Frau, die auf einem Plakat für Sonnenöl oder Fernreisen warb, in den Mund gelegt wurde, konnte an Stelle der für die Meisten stets unerreichbar bleibenden Illusion eines sorgenfreien Lebens auf fernen Inselparadiesen mit Traumstränden, in den Menschen die Sehnsucht nach einem anderen und besseren Leben hier und jetzt wecken.

Auf diese Weise konnte man, wie wir glaubten, der allgegenwärtigen Propaganda und Manipulation durch Werbung, Medien und Politik nicht nur entgegen wirken, sondern diese sogar für sich nutzbar machen, und für die notwendige Veränderung der bestehenden Lebens- und Produktionsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft einsetzen.

Alles was man dafür benötigte, waren ein schwarzer Filzstift, eine Sprühdose, eine vorbereitete aus Papier zugeschnittene Sprechblase und etwas Kleister, um sie auf dem Plakat anzubringen.

Ein als Graffiti an eine Wand angebrachtes Bild aber konnte wie eine Variable wirken, eine Unbekannte, die den zufällig dort vorübergehenden Passanten überraschen, irritieren und womöglich dem Lauf seiner Gedanken, seines angefangenen Tages eine neue und unbekannte Richtung verleihen konnte. . .

Heute denke ich, dass die Losungen und Parolen, die wir seinerzeit im Verlauf unserer nächtlichen Streifzüge in den Straßen hinterließen, jene Zeichen und Bilder, für uns immer auch eine zweite und zugleich darin mitschwingende Bedeutung gehabt hatten, ohne dass es uns damals selbst bewusst war: dass sie gleichzeitig eine Liebeserklärung enthielten, die wir uns in verschlüsselter Weise mitgeteilt und an Mauern und Wände gesprüht hatten. . .

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