Elektronische Post

Mein Herr, beginnt die an mich adressierte Email eines ausländischen Studenten,  für meine Abschlussarbeit im Fach Linguistik  bitte ich um ihr  Einverständnis als Autor, darin auch Ihren derzeit erscheinenden Romantext wissenschaftlich untersuchen zu dürfen. . .

Ich aber denke sogleich an syntaktische und an grammatikalische Auffälligkeiten des Textes, an mir bislang verborgen gebliebene Abnormitäten darin, die das Forschungsinteresse geweckt haben mochten, an Absonderlichkeiten in der Wortwahl, eine dann und wann eher willkürlich vorgenommene Interpunktion. . .

Und obwohl ich im Grunde weiß, dass nichts davon der Anlass gewesen sein wird für die Anfrage, denke ich an mein eigenes unschlüssiges Schwanken zwischen alter und neuer Rechtschreibung und an Nachlässigkeiten bei der Arbeit, an die Tippfehler, die nun unweigerlich mit dem übrigen Text ins Licht der Forschung geraten werden.

Ein paar Wochen darauf wendet sich eine Journalistik-Studentin aus Darmstadt an mich. Derzeit arbeite sie, so schreibt sie mir in ihrer Email, im Rahmen eines Studien-Projektes an einer Tageszeitung der Zukunft.

Dabei sei sie im Zuge ihrer Recherchen auf meinen Blogroman gestoßen. Gerne hätte sie von mir die Erlaubnis dazu, einen meinen Texte daraus zu wissenschaftlichen Zwecken abdrucken zu dürfen.

Dann wieder schreibt ein Autoren-Kollege und Kabarettist und schlägt mir eine wechselseitige Vernetzung und Zusammenarbeit vor und ich denke mir, ja, das könnten wir eigentlich machen. . .

Von Zeit zu Zeit aber erreicht mich eine ganz andere Art elektronischer Post, deren Inhalt mich mitunter in Erstaunen versetzt und mich gleichzeitig an die unwahrscheinlichen Anzeigentexte denken lässt, die man früher in den Innenseiten von Groschenromanen finden konnte.

In diesen klein gedruckten Annoncen aber waren dem Leser diskrete Unterstützung und Hilfe bei der Lösung verschiedenster Lebensprobleme versprochen worden: schneller Muskelaufbau und Gewichtsabnahme in nur wenigen Tagen, spezielle Bruchbänder oder Schuhe mit einer kaum bemerkbar erhöhten Sohle bei geringer Körpergröße, Sofortkredite ohne vorhergehende Prüfung, Hilfe bei beginnendem Haarausfall oder abstehenden Ohren. . .

Ich erinnere mich noch an jene immer wieder in den Heften auftauchende Kleinanzeige mit dem einprägsamen Slogan: Sommersprossen wirken hässlich, Drula-Bleichwachs hilft verlässlich.

Und an das ebenso wiederkehrende Inserat einer nur über Postfach erreichbaren Firma, bei der man sich Ausweiskarten mit dem eigenen Namen und Lichtbild darauf hatte anfertigen lassen können, die den Inhaber wahlweise als Privatdetektiv oder als Geheimagenten auswiesen.

Diese Ausweise hatten jedoch, laut Anzeigentext, die unfehlbare Wirkung haben sollen, der eigenen Existenz eine abenteuerliche und geheimnisvolle Note zu verleihen, die es Männern erleichtern würde, Frauen zu beeindrucken und kennen zu lernen. . .

Heutzutage finden ebenso unwahrscheinliche Offerten beinah unvermeidbarer Weise ihren Weg in unsere Mailboxen.

Doch es geht darin nicht mehr um Haarwuchsmittel, oder aber um Heimtrainer oder Schlankheitskuren, sondern eher um Dinge wie Viagra und Online-Poker, um vermeintliche Millionengewinne bei Lotteriespielen oder dubiose Finanztransaktionen zwischen Afrika und Europa. . .

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