Waschsalon Teil 4

„Das Prinzip ist ganz einfach“, hatte Steffen erklärt und mich in den hinteren Teil seines Zimmers geführt. Dort hatte an einer Wand ein Karton auf dem Boden gestanden, in dem sich, wie ich sah, bereits ein paar gebrauchte Wäschestücke befanden.

„Also gut, pass auf. Du nimmst dir einen Pappkarton, so wie diesen hier, und tust deine gebrauchten Sachen nachdem du sie gewechselt hast immer anschließend dort hinein. Danach wartest du solange ab, bis der Karton schließlich irgendwann bis oben voll ist.“
„ Schön. Und dann?“
„Wenn er schließlich ganz voll ist, und nichts mehr oben hinein passt, fasst du mit deinen Händen hinein und fängst an die gesamte Wäsche darin ein paar Mal um zudrehen und von unten nach oben zu wenden“, hatte Steffen geantwortet und zugleich dabei mit seinen Armen und Händen, das zuvor von ihm beschriebene Verfahren demonstriert.
„Also, ungefähr so.“
„Ich verstehe. Und dann?“
„Danach nimmst du die Wäsche wieder heraus. Fertig!“

Die Erinnerung an “Steffens Waschmaschine” lässt mich nun, wo ich darüber schreibe, zugleich unweigerlich auch andere Geschichten zurück denken, die er damals bei unterschiedlichen Gelegenheiten erzählt hatte, stets im gleichen und ganz nüchtern berichtenden Ton und mit vollkommen ernster Miene, wie etwa die ebenso legendäre Geschichte vom toten Hund. . .

Und sie führt mich zurück in weit zurück liegende Abende und Nächte, zu vergangenen Partys und Festen, auf denen wir, Steffen und ich, manchmal einfach so , ohne dass wir uns dabei abgesprochen oder irgendeine bestimmte Absicht damit verfolgt hatten, völlig frei erfundene Geschichten zu erzählen begonnen hatten, über uns, unser Leben, über Dinge die angeblich passiert waren, die wir beide beruflich taten . . .

Doch geschah dies im Allgemeinen nur dann, wenn die Abende sonst eher schleppend verlaufen und die anwesenden Gäste dort, sagen wir, etwas spröde gewesen waren, wenn ich mich recht entsinne, sodass Rausch und Fiktion dort die einzigen Fluchtwege bildeten…

Ich erinnere mich noch an gelegentliche Proteste, die mich mitunter später erreichten: „Sag mal, Steffen war ja neulich Abend mal wieder vollkommen besoffen und hat die ganze Zeit über wieder nichts als Unsinn erzählt. Und du übrigens auch. . .“

Wenn jedoch nichts dergleichen geschehen war, wenn also Steffen keine seiner eigenwilligen kleinen und lakonischen aber mitunter auch einfach wunderbaren Geschichten erzählt hatte oder mitten in der Nacht eine leidenschaftliche Debatte über Literatur und Poesie, Malerei, Politik oder Boxkämpfe zu entfachen begann, waren sämtliche Anwesenden gleichermaßen enttäuscht.

Dann hieß es mit einem Mal umgekehrt: „Sag mal, mit Steffen ist ja heute Abend überhaupt nichts los. Und du? Was ist mit dir? Du bist heute so schweigsam. . .“

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