Nahtstellen – Teil 3

Oder geht es darum, alte Rechnungen zu begleichen und im Nachhinein Recht zu behalten, deine einstigen eigenen Ahnungen und Voraussagen nun bestätigt zu sehen? Darum Notwendigkeiten und Bestimmungen zu konstruieren, Gründe für dein früheres Handeln und zugleich für dein späteres Schweigen?

Geht es dir nur darum deine Wirklichkeit, deine eigenen Widersprüche und Versäumnisse darin von dir abzurücken und in einem inneren Monolog aufzulösen, zu entschärfen, in dem niemand dir widerspricht, außer uns, die wir ja, wie Du immer noch glaubst, nur Erfindung sind-

Oder willst Du uns damit letztlich nur auf ein sanft eingebettetes Scheitern einstimmen, das zugleich deine Müdigkeit zu erklären vermag, deine ewige Inkonsequenz und die Unschärfe deiner eigenen Gedanken und Worte?

„Eine solche Perspektive und Sicht auf die Gegenwart aber enthebt den Betrachter von der Mühe, die Wirklichkeit zu durchdringen. Sie ist letztendlich weich, komfortabel, bequem. Sie ummantelt uns sanft mit der Aura des Kritischen und entbindet uns dabei in wundersamer Weise zugleich von der Notwendigkeit einzugreifen oder irgendetwas am Lauf und Geschehen der Dinge zu ändern.“

Waren das nicht vor gut einem Jahr deine eigenen Worte gewesen?

Du aber türmst immer weitere Möglichkeiten des Vergangenen vor dir auf, um sie anschließend zu widerlegen und zum Einsturz zu bringen, suchst Beweise darin für die Unmöglichkeit einer anderen Gegenwart und Geschichte, eines anderen Lebens darin, für die Zwangsläufigkeit des Geschehenen, deiner eigenen unbedeutend gebliebenen Rolle darin, deines eigenen Nichtstuens jetzt. . .

Ohne Antwort darauf, ohne zu widersprechen lausche ich den verschiedenen Stimmen, meinen eigenen darin wiederkehrenden Zweifeln. 

Eine andere Geschichte, glücklicher als deine eigene– Warum denke ich dabei ausgerechnet an Carolin, die seit etlichen Jahren in Haft ist?

Und warum stelle ich mir ihr Leben auch heute noch, selbst in dieser Situation und in diesem Moment, während ich an sie denken muss, reicher und erfüllter vor als das eigene?

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