Immer radikal, niemals konsequent Teil 5

Manchmal denke ich, dass es einfacher gewesen wäre, die Geschichte des Arbeitskreises, jener revolutionären Studentengruppe also, in die Carolin mich damals eingeführt und der ich mich nach anfänglichem Zögern schließlich ebenfalls angeschlossen hatte, von ihrem Ende her zu erzählen, aus der Gegenwart jetzt.

Die Vorteile einer solchen Erzählweise liegen klar auf der Hand: Denn aus dem Nachhinein und Wissen um ihren späteren Ausgang heraus betrachtet, bekommen die Ereignisse damals, und damit auch das letztliche Auseinanderfallen und Ende der Gruppe, eine plötzliche Folgerichtigkeit.

Die Verwüstungen und Verwehungen in den einstigen Lebensentwürfen und Plänen ihrer Protagonisten aber erscheinen uns rückblickend wo nicht konsequent und quasi unvermeidbar so zumindest entschärft und verzeihlich.

Und die Vergangenheit selbst verleiht, so erzählt, mit einem Mal nicht nur trotz sondern umgekehrt vielleicht gerade aufgrund jenes scheinbar darin schon von Anfang an angelegt gewesenen Scheiterns, ihren unterschiedlichen Akteuren, der Figur, dem Charakter der engagierten Sozialpädagogin etwa, oder aber des biederen und gesetzten Informatikers, zu denen sie später werden sollten, eine schimmernde Vielschichtigkeit.

Neue mögliche Anfänge und Erzählperspektiven tun sich für den Autor hier auf, neue Fallhöhen: So kann das Vergangene, dramaturgisch entwickelt zum Auslöser ungeahnter schicksalhafter Entwicklungen werden, in denen es um alte unbeglichene Rechnungen gehen könnte und um plötzlich ans Licht gekommene Wahrheiten, um Liebe, Betrug, Schuld und Verrat. . .

Aber gut- Aus Studentinnen und Studenten waren Akademiker, Architekten und Lehrer geworden, Wissenschaftler, Medizinerinnen und Computerspezialisten, Elternsprecher, Ehepartner, Hausbesitzer und Erben.

Doch wer will dabei von Verwehungen und Verwüstungen sprechen? Martin, der die Hoffnungen und politischen Überzeugungen in der Gruppe niemals völlig geteilt und sich ihr seinerzeit nur am Rande verbunden gefühlt hatte, hatte in unserem letzten Gespräch dazu nur mit den Achseln gezuckt: “Na, das war doch von vorne herein klar gewesen, schon damals. Eigentlich ging es doch damals schon nie wirklich um Politik und Veränderung, sondern immer nur um die eigene Identität. . .”

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