Vom Leben als Kunstwerk Teil 3

Wenn eine mögliche Verschmelzung von Alltag und Kunst das Leben von Grund auf verändern sollte, durfte Kunst sich, wie ich damals glaubte, weder kommerzialisieren, noch anderweitig vereinnahmen lassen.

Sie durfte weder zur Ware werden, noch sich selbst an der Mystifizierung von künstlerischer Arbeit und Identität beteiligen.

Und sie durfte sich dabei nicht auf die ihr zugewiesenen und zugestandenen Orte und Räume innerhalb des gesellschaftlichen Lebens beschränken, sondern musste vielmehr den öffentlichen Raum und das gesamte Feld der Wirklichkeit miteinbeziehen.

Baudrillard hatte von einem Aufstand der Zeichen gesprochen und durch seine Beschreibung, Zuordnung und Deutung des Phänomens, wie mir schien, genau jene Ordnung wieder herzustellen geholfen, die ja gerade in Frage gestellt und vielleicht sogar ganz kurze Zeit über auch tatsächlich erschüttert worden war. . .

Die Gefahr, in die sich jede neue Idee und Bewegung bei ihrem Erscheinen begab, bestand also keineswegs allein darin, wie im Falle der Graffiti-Sprayer bei verbotenen Aktionen wie dem Sprühen eines Bildes oder einer Botschaft an eine Wand überrascht und deswegen belangt zu werden.

Sie schien ebenso darin zu liegen, entdeckt und gedeutet zu werden, in den Fokus der Wissenschaft zu geraten, in den Blickpunkt der Medien und des Marktes und damit quasi unweigerlich wieder vereinnahmt und Teil genau dessen zu werden, gegen dass man sich zuvor gewandt hatte.

Die Situationisten hatten diesen Prozess als Rekuperation bezeichnet.

Und in der Tat hatten Streetart und Graffiti nur ein paar Jahre darauf ihren Einzug in den offiziellen Kunstmarkt gehalten, werden heute als kostbar erachtete Graffities mittlerweile vorsichtig aus dem Mauerwerk heraus getrennt und anschließend in Galerien ausgestellt und verkauft. . .

Künstlerische Aktion, die den Alltag revolutionieren wollte, musste also, so glaubte ich, wandlungsfähig bleiben, auf gesellschaftliche Veränderungen und Prozesse ebenso rasch wie flexibel reagieren.

Sie musste mit den Mitteln des Spiels und des Zufalls arbeiten, der Anonymität und der Überraschung, der Guerilla.

Und sie musste zugleich, wie mir schien, überall dort, wo sie in Erscheinung getreten war, ihre eigenen Spuren wieder sorgfältig verwischen. . .

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