Ein neuer Film entsteht . . .

Gegenüber vom Shisha hatte man auf der anderen Seite der Straße das Pflaster aufgerissen, um auch dort, wie zuvor schon an anderen Stellen in der Wrangelstraße und den Seitenstraßen ringsum, neue Rohre zu verlegen und wir hatten von unserem Platz aus direkt auf die Baustelle geblickt, auf der ein abgestellter Bagger und ein Dixie-Klo hinter einem Bauzaun standen.

„Zur Zeit bauen sie hier überall“, hatte Martin gesagt, „ich bin mal gespannt, wie das Ganze hier weitergeht und in einigen Jahren aussehen wird.“
“Wer weiß?“ , hatte ich daraufhin nur erwidert und er hatte genickt: “Tja, wer weiß. . .“
Eine Pause war entstanden. Beide hatten wir eine Weile lang, jeder in seinen eigenen Gedanken, auf die Straße geschaut, die vorübergehenden Passanten.

„Was passiert eigentlich mit diesen Miet-WC`s, wenn die irgendwann einmal voll sind?“, hatte Martin mich schließlich gefragt, “Ich meine, werden die dann abgeholt und durch neue ersetzt, oder wie funktioniert das?“
„Nein, es gibt dafür eine spezielle Art von Tankwagen, mit denen sie abgesaugt werden“, hatte ich ihm geantwortet, „wie kommst Du darauf?“
„Ich weiß nicht, nur so.“

Ich aber hatte Martin dazu eine Geschichte erzählt, die ich vor etlichen Jahren erlebt hatte. Damals hatte ich ein paar Monate lang bei einer Baufirma gejobbt und an einem der Tage war genau so ein Tankwagen auf unsere Baustelle gekommen.

Ich entsinne mich noch, dass ich seinerzeit, noch bevor ich den Wagen und seinen Fahrer gesehen hatte, bereits jenen Geruch bemerkt hatte, einen plötzlichen geradezu infernalischen Gestank, und ich weiß noch, dass gleichzeitig, so wie ich, auch die anderen Bauarbeiter dort, Maler, Maurer und Zimmerleute unwillkürlich in ihrer Arbeit innegehalten hatten.

Kurz darauf hatte ich einen Mann gesehen, der einen dunklen schweren Schlauch hinter sich hergezogen hatte und damit aus der Richtung der Miettoiletten auf der Baustelle kam. Diese waren gerade zuvor von ihm entlleert worden, was ganz offensichtlich die Ursache für den üblen Geruch gewesen war.

Ich erinnere mich immer noch recht genau daran, wie dieser Mann ausgesehen hatte, dass er klein und von relativ schmaler und schmächtiger Statur gewesen war, und ich weiß noch, dass er olivgrüne Armeesachen angehabt hatte, eine tarnfarbene Mütze mit Schirm und ein Bundeswehrhemd mit einer schwarzrotgoldenen Fahne am Ärmel.

Deutlich sehe ich noch dieses Bild vor mir, die Gesichter, die Mienen der Zimmerleute und Maurer, die ihn angewidert und die Arme ineinander verschränkt beobachtet hatten, und die mißbilligend, fast empört ihre Köpfe geschüttelt und dabei vor sich hin geschimpft hatten: „Ist ja ekelhaft Mann, widerlich, Mann, das stinkt hier vielleicht . . .“

Unterdessen aber hatte der Mann unter all diesen auf ihn gerichteten Blicken seine Arbeit fortgesetzt, in seiner Kluft wie ein einsamer und verlorener Kämpfer wirkend in feindlicher Umgebung. Eilig hatte er den schweren Schlauch bis zum Wagen gezogen und ihn dort mit geübter Bewegung rasch aufgerollt: äußerlich scheinbar vollkommen ungerührt, die Armeemütze weit in die Stirn gezogen und die Augen unter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.

Was aber mochte in diesem Moment und in anderen ähnlichen Augenblicken in ihm vorgegangen sein, hatte ich mich manchmal später gefragt, immer ein wenig schuldbewußt, wenn ich daran zurück dachte, weil ich selbst damals nichts gesagt und getan und statt dessen nur schweigend zugeschaut hatte.

Wie mochte wohl sein übriges Leben jenseits der Arbeit aussehen? Und wie mochte die Reaktion darauf ausfallen, wenn er dann und wann einem Unbekannten, den er gerade neu kennen gelernt hatte, davon erzählte? Oder würde er vielleicht eher darüber schweigen und statt dessen eine andere, erfundene Geschichte erzählen . . .

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