Vom Zusammenhang zwischen Wirklichkeit und Fiktion . . .

Martin hatte mir an jenem Tage bei Shisha von dem Drehbuch erzählt, an dem er damals gerade arbeitete, und er hatte sich im Gegenzug nach den Neuigkeiten in meinem Leben erkundigt und nach Carolin gefragt. Ich aber hatte, so wie er, schon seit einiger Zeit nichts mehr von ihr gehört.

„Tja. Und sonst?“, hatte er mich gefragt, „Hast Du in der Zwischenzeit eine Frau kennengelernt ?“
„ Nein“, hatte ich ihm geantwortet, und danach, ohne dass ich es eigentlich gewollt hatte, noch hinzugefügt „nicht wirklich.“ Martin hatte mich fragend angesehen. „Was heißt nicht wirklich?“
„Nicht wirklich, heißt nicht wirklich.“

Martin aber war beharrlich geblieben, und er hatte auch nicht eher locker gelassen, bis ich ihm schließlich von jener Unbekannten zu erzählen begann, meiner neuen Nachbarin, die vor einigen Wochen im Vorderhaus eingezogen war, und von der ich doch eigentlich nichts sagen konnte und auch nichts weiter wußte als ihren Nachnamen, den ich irgendwann im Vorbeigehen auf dem Klingelschild an ihrer Tür gelesen hatte . . .

„Und?“, hatte Martin gefragt.
„Na ja, nichts und.“
„Ich meine, wer ist sie, was tut sie, was macht sie?“,.
„Was weiß ich“ hatte ich ihm erwidert, „keine Ahnung, woher soll ich das wissen, ich kenn sie doch gar nicht.“

Martin schien darüber nachzudenken: „Hm… Und was weiter ?“
„Nichts weiter. Wir begegnen uns hier und da mal im Flur oder manchmal auch draußen im Hof.“
„Und dann?“
„Dann sagen wir uns “Hallo“ und das war’s dann auch schon.“ Martin war indes noch nicht restlos davon überzeugt. Ich fuhr fort zu erzählen: „Und dann sehe ich sie von Zeit zu Zeit wenn sie in ihre Küche geht und dort Licht macht . . .“
„Du kannst in ihre Wohnung hinein schauen?“
„Na ja nur wenn dort manchmal die Vorhänge auf sind.“ Martin nickte.
„Und sie kann auch von ihrer Wohnung aus in Deine sehen?“
„Sicher, ich glaub schon, falls sie zufällig einmal herüber schaut . . .“

Martin war, wie mir schien, gerade mit dieser letzten Auskunft sehr zufrieden gewesen, etwa so als enthielte sie ein sehr wichtiges ihm bis dahin noch fehlendes Detail.

„Wie romantisch.“, sagte er.
„Was ist daran romantisch?“, hatte ich ihn gefragt.
„Überleg doch mal nur“, hatte er mir entgegengehalten, die Geschichte bereits in Gedanken fort spinnend, „ihr wohnt beide im gleichen Haus, ihr begegnet euch jeden Tag . . .“
„Nein”, hatte ich eingewandt, „nicht jeden Tag.”

„Also schön, um so besser- Ihr begegnet euch nicht, aber seht euch dafür jeden Tag aus der Ferne. Du siehst von Deiner Wohnung aus, wie sie am Abend ihre Vorhänge zuzieht, das Licht löscht. Manchmal denkst Du daran, wo sie jetzt gerade hingehen mag in der Wohnung, was sie jetzt wohl im nächsten Moment tun wird. Und auch sie steht dort Tag für Tag an ihrem Fenster und schaut zu Dir hinüber. Doch Du ahnst nichts davon . . .“

„Unsinn“, hatte ich nur erwidert, halb entnervt, halb belustigt. „ Du bist ganz offensichtlich zu viel mit diesen Leuten vom Fernsehen zusammen. Und wie man weiß, hat Film ja nicht allzuviel mit der Realität zu tun.“ Martin jedoch hatte mich daraufhin lächelnd angesehen: „Kann schon sein. Aber die Realität viel mit Film. . .“

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