Waschsalon Teil 12

Niemals habe ich es erlebt, dass jener stille Bewohner des Waschsalons irgendetwas gesagt hätte, sich mit einem der anderen Besucher dort unterhielt. Und ich habe auch nie beobachtet, dass er irgendwann einmal einen der von ihm gedrehten Joints anderen angeboten und mit ihnen geteilt hätte.

So war es offenbar nicht der Wunsch unter Menschen zu kommen gewesen, nicht die Suche nach Gesellschaft, die ihn ausgerechnet hierher zog. Oder doch?

Von dem Geld, das er Tag für Tag für sein Marihuana ausgab, aber hätte er, denke ich, sicher wohl ein Zimmer oder eine kleine Wohnung in der Nähe vom Ostkreuz oder irgendwo sonst in der Nähe mieten können.

Doch so kann man, ich weiß es, nicht rechnen.

Gerne hätte ich mich mit ihm unterhalten, ihn das eine oder andere gefragt, wenn die Situation und der Augenblick das erlaubt hätten.

Jener ruhige und ganz eigene Ausdruck in seinem Blick, seiner Miene, jene freundliche und stille Distanz die von ihm, seiner gesamten Erscheinung ausgingen jedoch, hatten es mir unmöglich gemacht, meiner Neugier zu folgen.

Ich weiß nicht, ob er nachts einen festen Schlafplatz besaß oder nicht und ob er seine Tage vielleicht deswegen nur im Waschsalon verbrachte, weil die eigene Wohnung zu kalt und aus irgendeinem Grund nicht beheizbar gewesen war, weil die Heizung oder aber der Strom dort abgestellt worden waren.

Wozu aber hätte er dann, wenn er irgendwo in der Stadt eine Wohnung besaß, stets jene große und schwere Tasche mit sich herum schleppen sollen, die, so glaube ich, alles enthielt, was er an Dingen besaß?

Alles das war mir seinerzeit durch den Kopf gegangen. Mit dem Ende der Winterzeit und dem Kommen der wärmeren Tage aber war auch der Mann plötzlich eines Tages aus dem Waschsalon verschwunden und er tauchte von da an auch späterhin nicht mehr dort auf.

Ich erinnere mich noch an unsere Begegnung, an das letzte Mal als ich ihn dort gesehen hatte.

Statt des obligatorischen Joints in der Hand hatte er damals eine Flasche mit Sekt vor sich stehen gehabt, keine jener ganz billigen Sorten mit Schraubverschluss, sondern einen Freixenet seco, die bei meiner Ankunft bereits geöffnet und knapp zur Hälfte geleert gewesen war.

Der Mann aber hatte den Sekt keineswegs aus der Flasche getrunken, sondern sich dafür eigens ein Glas in den Waschsalon mitgebracht. . .

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