Immer radikal, niemals konsequent Teil 2

Wenn nun aber das persönliche und politische Handeln nicht länger durch die Grenze von legal oder illegal bestimmt werden konnte, mussten andere Kriterien darüber entscheiden, was sinnvoll war und machbar, was gerechtfertigt, richtig und erlaubt: ethische wie auch taktische und strategische Gesichtspunkte, objektive wie gesellschaftliche und historisch bedingte Faktoren ebenso wie persönliche, subjektive Aspekte.

Schließlich stellte sich hier bei alledem auch die Frage nach dem Risiko und den möglichen Konsequenzen für das eigene künftige Leben, der Gefahr, der man sich auszusetzen bereit war, der Bereitschaft zum Wagnis.

Alles das aber, auch der mögliche Preis im Falle des Entdecktwerdens mit all seinen daraus resultierenden Folgen, mit Verurteilung und mit möglicher Haft, musste dabei im Vorfeld jeder Entscheidung wohl bedacht sein.

Während ich jedoch damals im Hinblick auf jene Grenze zunächst erst einmal nur eine denkbare von den jeweiligen Umständen und Konstellationen abhängige, in der jeweiligen Situation abzuwägende Entscheidung gesehen hatte, war die Illegalität innerhalb mancher Teile der Linken selbst zum Gegenstand der Verklärung, zum Hauptinhalt und Mythos geworden.

Bereits kleine und kleinste Überschreitungen und Verletzungen der bestehenden Ordnung wie das Schwarzfahren in der U-Bahn und der Ladendiebstahl im Kaufhaus oder Supermarkt bedeuteten, glaubten manche, bereits das gesamte System selbst in Frage zu stellen.

Die aus heutiger Sicht vielleicht eher analog zu den Vorstellungen der Chaostheorie zu begreifende Idee einer Erschütterung des Gesamten durch seine Teile aber hatte so das Konzept einer Tag für Tag überall an verschiedensten Orten zugleich unternommenen unsichtbaren Revolte vertreten, deren einzelne Akte sich in irgendeiner Form bündelten und übertrugen und deren unbekannte unabhängig voneinander agierende Akteure dadurch zu einer Art von gemeinsamer Bewegung zusammenführte.

War die Illegalität hier als Teil einer subversiven Praxis des Alltags propagiert worden und als Teil des normalen Lebens, hatten andere sie indessen zum eigentlichen Ziel des politischen Widerstandes erklärt.

Innerhalb eines Staats, einer modernen westlichen europäischen Gesellschaft wie der Bundesrepublik aber war ein Leben in der Illegalität nicht möglich gewesen, oder wenn, dann nur für kurze Zeit.

So war die letztliche Konsequenz jedes ernst gemeinten und über einen bloßen Protest hinaus gehenden politischen Engagements dieser Anschauung nach das Gefängnis gewesen, war die höchste Stufe und damit auch der wahre Ort jenes Kampfs um Befreiung der Hochsicherheitstrakt . . .

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