Von Geschichten und Geschichte – Fortsetzung Teil 3

Der seit seiner Emigration aus Deutschland in den USA lebende Herbert Marcuse hatte mit Blick auf die moderne westliche Industriegesellschaft von einer Gesellschaft ohne Opposition gesprochen, einer Einebnung des Gegensatzes zwischen dem Gegebenen und dem Möglichen, in deren Folge auch die Möglichkeit der Veränderung der eigenen gesellschaftlichen Wirklichkeit aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinde.

Von diesen Überlegungen aus scheint, aus heutiger Sicht betrachtet, der gedankliche Weg vielleicht nicht mehr allzu weit zu den späteren Thesen vom Verschwinden des Subjekts in der postmodernen Philosophie, vom Verschwinden der Geschichte. Dies aber hatte Marcuse selbst seinerzeit nicht gemeint.

Während Marcuse in Der eindimensionale Mensch von hypnotischen Definitionen und Diktaten schrieb, mit deren Hilfe seitens der Politik und der Massenmedien jenes eindimensionale Denken systematisch gefördert und das individuelle aufgesogen werde, hatte der ebenfalls in den USA lebende Schriftsteller William S. Burroughs, in seinem im gleichen Jahre veröffentlichten Roman Nova Express die amerikanische Realität als bizarren Alptraum beschrieben.

In Nova Express und dem einige Jahre zuvor erschienenen Soft Machine bestimmen Manipulation, Suggestion und soziale Kontrolle die Gegenwart, werden Lebenswelt und Bewußtsein der Menschen durch den Einfluss von Fernsehen, Werbung und Medien und die hinter ihnen stehenden Interessen von Aufsichtsräten, Politik und Polizei dabei nicht alleine beeinflusst und gleich geschaltet, sondern vollständig bestimmt.

Die vom Einzelnen selbst erfahrbare und erlebbare Realität erscheint in Burroughs Romanwelt nur noch als Junk und als bloße Fiktion.

Die vermeintliche Wirklichkeit, in der das Leben sich abspielt, ist hier nichts weiter mehr als eine vorgegebene Endlosschleife aus wiederkehrenden Handlungen, Rollen, Bildern und Dialogen, ein Film.

Die in seinen Geschichten auftretenden Partisanen versuchen der Totalität der sie umgebenden Bilderwelt zu entfliehen, sie mit Mitteln der Sabotage anzugreifen, ihre eigene Gegenbotschaft zu verbreiten und dabei die verloren gegangene Realität zurück zu gewinnen.

Und erinnern damit in gewisser Weise an die Graffiti-Sprayer in Beaudrillards Aufstand der Zeichen. . .

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