Kürbiskerne

“Dinge um sich zu scharen und zu sammeln”, höre ich mich sagen, sei ein Ausdruck von Angst, einer Suche nach Sicherheiten. Doch ich weiß nicht mehr, wann das war und in welchem Zusammenhang und zu wem ich das so gesagt habe.

Mein Blick fällt auf den kleinen metallenen Koffer, der vor mir auf dem Tisch steht, auf die darin verwahrten und in zwei Reihen angeordneten alten Chronometer.

Ich öffne seinen gläsernen Deckel und beginne sie nacheinander aufzuziehen. Manche fangen sogleich darauf an, sich in Gang zu setzen, andere dagegen erst nach weckendem leichten Schütteln.

Horchend, das Gehäuse der Uhr dabei nahe an meinem Ohr, unterscheide ich das feine kaum hörbare Ticken eines aufwendig konstruierten alten mechanischen Uhrwerks mit Steinanker, einer Uhr aus den Dreißiger oder Vierziger Jahren vielleicht, und das nagelnde harte Geräusch eines ebenso alten doch einfachen Stiftankerwerks.

So lausche ich eine Weile lang dem nun hörbaren reinen Fortgang der Zeit. Ich schaue auf die Zifferblätter der Uhren, in denen die Zeiger sich in zentraler oder kleiner Sekunde kreisend drehen, während jede von ihnen dabei eine andere Uhrzeit anzeigt, da ich sie zuvor nicht gestellt hatte und sie deswegen nicht gemeinsam, sondern dort, an dem Punkt, an dem sie zuletzt stehen geblieben waren, für sich weiter laufen.

In dem Nebeneinander der verschiedenen Zeiten aber liegt, wie mir scheint, eine seltsame Ahnung der Gleichzeitigkeit, eines möglichen parallelen Verlaufs schon vergangener und noch vor mir liegender Tage und Stunden. . .

Wie auch immer- Fast zwei Jahre ist es nun beinah her seit dem letzten Eintrag, jener Fahrt mit der Bahn an Silvester. Mir selbst aber will es vorkommen, als läge dazwischen nur eine ganz kurze Abwesenheit.

Immer noch liegen Handlungsläufe, Fäden, Linien vor mir, die entwirrt, neu verknüpft werden müssen, Namen, Orte, mischt sich Wirklich und Erdachtes.

Ich muss an Martin denken und die Frage, die er mir damals vor zwei Jahren gestellt hat, an Carolin in den unterschiedlichen Bildern: lachend, redend, rauchend, schweigend, fern von mir in Gedanken versunken oder irrlichternd, von polaren Gezeiten getrieben.

Und ich denke an gestern zurück und an David, den ich lange Zeit nicht gesehen hatte, sehe uns beide an einem kleinem Tisch sitzend im Cafè Marx.

David schaut mich an, unsere Blicke begegnen sich, nachdem eben zuvor eine Pause entstanden war: “Kürbiskerne”, sagt er, “eine gute Bekannte von mir hat mir neulich erzählt Kürbiskerne sollen gut sein gegen Krebs. . .”

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