Kreuzberg – Anmerkungen zum 1. Mai

Aus der Sicht der Regierenden und der ihnen verbunden gewesenen Interessengruppen und Medien konnte es Phänomene wie Armut oder materielle Not im Westen Deutschlands und im damaligen West-Berlin nicht geben. Oder aber wo doch, allenfalls nur vereinzelt.

Gleiches galt für die Möglichkeit polizeilicher Übergriffe und Gewalt gegenüber unbeteiligten Passanten und Personen, wie den seinerzeit in ihrer Masse und Mehrzahl bis zuletzt völlig arglos gewesenen und mit einem Mal mitten in die Auseinandersetzungen und Ereignisse hinein geratenen und davon überrollten Besucherinnen und Besuchern eines Straßenfestes mit Bierständen, Bratwurst und Musik, wie es Jahr für Jahr dutzende davon in Kreuzberg und in anderen Teilen der Stadt gegeben hatte.

Im Zusammenhang mit den Unruhen des 1. Mai 87 musste in den offiziellen Verlautbarungen somit nach anderen Ursachen und Erklärungen für die damaligen Ereignisse gesucht werden, war von Vandalismus, Chaotentum und von purer Zerstörungswut die Rede gewesen und der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Diepgen war am Tage danach mit den Worten zitiert worden, die an Plünderungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen beteiligt gewesenen Menschen seien gar keine Berliner gewesen sondern “Anti-Berliner“.

Zugleich aber war man seitens der offiziellen Politik zu der Auffassung gelangt, dass es den Menschen in Kreuzberg, insbesondere den jüngeren unter ihnen, vielleicht auch nur an passenden Freizeitmöglichkeiten gefehlt habe.

Also hatte man in den kommenden Jahren auf der einen Seite die Polizeipräsenz am 1. Mai drastisch erhöht und dabei zu den schon bereit stehenden eigenen zusätzliche Hundertschaften aus dem gesamten Bundesgebiet in Kreuzberg zusammen gezogen.

Neben Wasserwerfern und “Wannen”, wie man die von der Polizei zum Transport ihrer Einsatzkräfte eingesetzten Mannschaftswagen in Berlin auch heute noch nennt, waren Räumpanzer aufgefahren, die die ihnen auf Straßen und Plätzen entgegengestellten Hindernisse binnen kürzester Zeit fortzuräumen vermochten, und dabei die zum Bau der Barrikaden verwendeten Autos, umgestürzten Container und Bauwagen scheinbar mühelos, leicht wie leere Kartons aus dem Weg schoben.

Auf der anderen Seite war am Spreewaldplatz, unweit also nur von der ausgebrannten Ruine des ehemaligen Bolle-Marktes entfernt, zur Verbesserung der Lebensqualität im Stadtteil ein Hallenbad errichtet worden.

So konnten die in der Nachbarschaft lebenden Menschen in ihrer freien Zeit nunmehr schwimmen gehen oder aber auch in die Sauna. Statt wie einst- in Ermangelung anderer Freizeitangebote- Barrikaden zu bauen oder Supermärkte zu plündern. . .

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