Wrangelstraße – Fortsetzung

Früher, in der Zeit vor dem Mauerfall noch, waren, wie bereits am Anfang der Geschichte erzählt, kaum Besucher und Touristen in den Wrangelkiez und die Gegend um das Schlesische Tor herum gelangt.

Diejenigen aber, die hierher gefunden hatten, waren zumeist junge Rucksacktouristen gewesen: angezogen von der Szenekultur und dem anderen Leben im damaligen West-Berlin, von der längst legendär gewordenen Atmosphäre in Kreuzberg und den Möglichkeiten, die sich damit für sie zu eröffnen schienen, so wie wir damals in der gleichen Zeit nach Amsterdam gefahren waren, nach Brixton oder nach Christiania.

Oder es hatte sich um vereinzelte Reisende gehandelt, die auf ihrer Suche nach dem “echten“ Berlin jenseits von Kurfürstendamm, von Europa-Center und Breitscheidplatz bis nach Kreuzberg 36 gekommen und dabei schließlich über die Wiener Straße oder den Mariannenplatz hinaus bis in die Wrangelstraße hinein vorgedrungen waren. . .

Ungeachtet dieser eher geringen Anzahl von Menschen, hatte von der Häuserwand des von Autonomen bewohnten Hauses in der Wrangelstraße 90 herab ein Transparent gehangen, welches eigens zur Abschreckung allzu neugieriger Besucher dort angebracht worden war.

Auf diesem Transparent aber stand, diesen zur Warnung, in deutlichen, weithin sichtbaren Lettern geschrieben: Scheiß Touris, verpisst Euch! Hier nix Zoo!

Gemeint damit waren indessen wohl weniger die bereits erwähnten Besuchergruppen, als die Teilnehmer jener wiederkehrenden durch den Wrangelkiez führenden Stadtrundfahrten gewesen.

Von ihren doppelstöckigen Reisebussen aus hatten diese, langsam, nur im Schritttempo durch die schmale Wrangelstraße fahrend, ihre Fotoapparate bereit, durch das Fensterglas auf die schadhaften alten Fassaden der Häuser blicken können: auf die fremdländisch, orientalisch anmutenden türkischen Läden, den schmutzigen Bürgersteig und das Straßenleben, das sich vor ihnen darauf abspielte.

Auf ihren Aufnahmen mögen Alteinwohner neben zugezogenen Migranten zu sehen sein, die vor ihren Geschäften sitzen, schwarz gekleidete Autonome neben bunt angezogenen Ökos, Studenten und Punks.

Oder aber die kleinen Grüppchen von Obdachlosen, die im Innenhof des Stifts auf die Essensausgabe der Suppenküche gewartet, oder auch, je nach Vorliebe und Gewohnheit, draußen vor dem Penny-Markt gesessen hatten, vor Kaisers oder Rewe. . .

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