Von Genialen Dilettanten und anderen wunderbaren Menschen Teil 5

Um Punkt Mitternacht war das Feuerwerk draußen mit ganzer Macht entbrannt. Die Gäste in der Kneipe waren von ihren Plätzen aufgestanden und auch die füllige Wirtin, die vielleicht um die Vierzig gewesen sein mochte, also in etwa doppelt so alt wie ich selbst damals, hatte ihren Platz hinter der Theke verlassen und mir zu geprostet.

Prost Neujahr“, hatte ich ihr erwidert und gemeinsam mit ihr angestoßen.

Gleich darauf aber, noch bevor ich mich versah, hatte sie mich mit ihren kräftigen Armen umfasst und an sich gezogen: an ihre Brust, ihren warmen und voluminösen Leib, der mich mit einem Mal weich umschloss.

Und während ich mich noch ebenso angestrengt wie vergeblich mit sanfter Gewalt wieder los zu machen versuchte, während ich mit noch größerer Sorge gewahr wurde und spürte, wie mein Widerstand schon zu schwinden begann, hatte ich, über ihre Schulter hinweg schauend, plötzlich Carolin entdeckt, die dort hinter mir stand und das Ganze beobachtete.

In ihrem Blick, ihren Augen aber hatte es dabei lustig gefunkelt, und ich hatte darin beides zugleich zu erkennen geglaubt: eine gewisse Schadenfreude und eine winzige kleine Spur auch von Mitleid. . .

Wenig später waren wir mit dem Großteil der übrigen Gäste auf die Straße getreten, um das Feuerwerk anzusehen, das sich ringsherum, von der Straße aus, von Balkons, aus geöffneten Fenstern heraus entlud, Farben, leuchtende Streifen und Funken versprühend über Häuser und Dächer hinweg in die Nacht, in die Dunkelheit.

Martin, Steffen und Michael waren nach einer Weile wieder hinein gegangen und ich selbst war allein dort mit Carolin in der Kälte zurück geblieben.

Nach und nach war das Feuerwerk und der tosende Lärm wieder abgeklungen. Nur vereinzelt noch waren hier und dort Leuchtkugeln und Raketen aufgestiegen, denen wir hinterher geblickt hatten.

Im Hinaufschauen hatte ich an das neu begonnene Jahr gedacht, und mich unwillkürlich gefragt, was es wohl an Ereignissen bringen mochte.

Carolin aber hatte fröstelnd ihre Hand unter meinen Arm geschoben und in diesem Moment offenbar an das Gleiche gedacht: „1984“, hatte sie gesagt, die neue Jahreszahl laut wiederholend, erprobend, „Mensch, ich kann das noch gar nicht glauben, dass es schon so weit ist.“

Nein, ich auch nicht. Tja, so nach und nach werden wir langsam alt.“

„Ja“, hatte Carolin erwidert,“schrecklich- Ist dir gar nicht kalt?“ „Nein, im Augenblick geht es. Und dir?“„Ja, ein klein wenig schon- Sind die Anderen schon wieder rein gegangen ?“„Ja, vor einiger Zeit bereits. Vielleicht sollten wir bald mal aufbrechen und von hier verschwinden. Oder willst du noch gerne bleiben?“

Nein“, hatte Carolin geantwortet, „Lass uns reingehen und den Anderen Bescheid sagen.“

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