Winter Teil 2

Ich erinnere mich noch an die Besuche Carolins, die mich, Teil jenes rätselhaften Geflechts und Netzwerks von Menschen, in dem sie sich bewegte, von Zeit zur Zeit in meiner Wohnung aufgesucht hatte, meist spontan, ohne sich vorher anzukündigen, unbekannten Gedanken, Impulsen und Anziehungskräften dabei folgend, nie vorhersagbaren Gezeiten und Plänen. . .

Ich erinnere mich daran, dass sie stets etwas mitgebracht hatte, wenn sie zu mir gekommen war, ein Geschenk: Blumen, eine einzelne Rose, eine Tüte mit Mandarinen, Orangen, Mandelhörnchen oder Schokolade, ein Buch- an ihr Lächeln, mit dem sie plötzlich vor meiner Tür stehend die unwillkürliche Überraschung in meiner Miene gelesen hatte, an ihr Stirnrunzeln, ein winziges Zögern, mit dem sie mich gefragt hatte: „Na- stör ich dich gerade?

Deutlich sehe ich ihren prüfenden kurzen Blick, mit dem sie, Carolin, im Hereinkommen wie zufällig meinen Schreibtisch gestreift hatte, aufgeschlagene Bücher darauf, Zettel, Skizzen, Papiere und das angefangene schon beschriebene oder noch leere Blatt in der Schreibmaschine registrierend, so als wolle sie sich davon überzeugen, sicher gehen, dass ich an etwas arbeite. . .

Ich sehe Carolin, wie sie, unbekümmert um die Unordnung, die sie umgab -ich selbst hatte geraume Zeit schon nicht mehr aufgeräumt- unbekümmert auch um die Kälte, ihren Mantel und Schal abgelegt und sich dann irgendwo auf dem Teppichboden, da wo Platz gewesen war, niedergelassen hatte, sehe Carolins Bild deutlich vor mir: den frisch aufgebrühten Kaffee hastig trinkend und die mitgebrachte Schokolade, das Obst mit mir teilend, eine Zigarette drehend für mich und danach für sich selbst, so wie an jenem fernen Morgen. . .

Jene Seiten und Blätter mit Entwürfen, Notizen und Skizzen, die sich auf meinem Schreibtisch zu stapeln begannen, aber schienen mir, in Momenten der Klarheit entstanden, von mir rasch zu Papier gebracht, bei der späteren Durchsicht mit einem Mal seltsam unbestimmt, vage, leer, gültig nur für den Augenblick selbst.

So war jenen Momenten des Aufbruches und des produktiven Fiebers ebenso unvermeidbar und schnell die Ernüchterung gefolgt, ein stets wiederkehrender Zweifel.

Von der Kraft die mich eben noch trug, der Gewissheit und plötzlichen Eingebung aber blieb letztlich nichts zurück als ein Gefühl der Ziellosigkeit und des Stillstands- ein Zustand, in dem sich vielleicht schemenhaft schon der Beginn jener späteren Müdigkeit abzuzeichnen begann, von der ich bereits sprach. . .

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