Letztes Jahr gab es -selbstverständlich begleitet von den unvermeidlichen Danksagungen und Empfehlungen der Geschäftsführung- für jeden Mitarbeiter des Hauses zum Jahresende einen Reisewecker als Präsent, der zugleich auch das Datum und die Zimmertemperatur anzeigen konnte.
In diesem Jahr war es ein Wandkalender mit den monatlich wechselnden Fotomotiven bekannter Städte. Auf dem vorderen Deckblatt davon ist der Schriftzug Emotions of the World 2012 zu lesen. . .
Ich erinnere mich noch an vergangenes Silvester: Es ist Nachmittag. Mein Zug fährt in Richtung Warschauer Straße. Aus dem Fenster heraus sehe ich auf die Oberbaumbrücke, auf das Wasser, die Ufer der Spree.
“An Silvester führen sie jedes Jahr ihre heimlichen Raketentests durch”, erklärt einer der beiden Fahrgäste, die mit mir den Waggon teilen.
Sein Gegenüber scheint unsicher und sich darüber unschlüssig zu sein, ob er das Gesagte besser ignorieren sollte, so als hätte er überhaupt nichts gehört, oder ob er dem Unbekannten eine vage und zu nichts verpflichtende Aufmerksamkeit signalisieren solle.
Der aber fährt sogleich unbeirrt fort: “Ist ja klar, schließlich fällt es dann gar nicht auf zwischen dem ganzen übrigen Feuerwerk. . .”
Später dann gegen Mitternacht stehe ich zusammen mit Martin draußen vor dem Madonna. Wir betrachten das Feuerwerk. Als es schließlich zu kalt wird, gehen wir wieder rein. Drinnen ist es laut und voll, wird getanzt.
“Was mir übrigens auch noch nicht so ganz klar ist”, sagt Martin, der an unser voran gegangenes Gespräch wieder anknüpft, “ist, warum du in deiner Geschichte nicht bei der tatsächlichen Version der Ereignisse bleibst, sondern darin erzählst, Carolin befinde sich im Gefängnis. Ich meine, geht es dabei um den späteren Plot, um mehr Spannung und Dramatik oder einzig und allein um Verfremdung?”
Ich aber antworte darauf nur unbestimmt: “Ich weiß nicht, vielleicht.” Mein Blick fällt auf die Tanzfläche vor uns, auf mein halb volles Bier in der Hand.
Entweder bald gehen, denke ich, oder aber dableiben bis zum Schluss. . .
London, Moskau und der Markusplatz in Venedig, das Jahr 2012-
Im Küchenfenster meiner Nachbarin brennt Licht. Ich schaue hinüber. Mir wird klar, dass ich selbst überhaupt keine Pläne habe für das kommende Jahr, keine besonderen Vorhaben oder Wünsche. . .